Burnout und Lauftherapie

Svenja W., Dezember 2011

Wenn mir als Teenager jemand prophezeit hätte, dass ich mich mit Mitte Dreißig ganz langsam wieder an sportliche Aktivitäten herantasten müsste und nicht einmal in der Lage wäre, mehr als 100 m am Stück zu schwimmen – ich hätte schallend gelacht! Damals war ich sportlich sehr aktiv, hatte viele Jahre als Vereinsschwimmerin „Kacheln gezählt“, machte beim Landessportbund eine Sportlizenz nach der anderen und verbrachte auch keinen Urlaub ohne Sport.

Doch genau so wie oben beschrieben ist es mir ergangen. Auf dem Weg zu meinem Traumberuf – Tierärztin – blieb bereits mit Aufnahme des Studiums immer weniger Zeit für Sport, Urlaub und Entspannung.

Als fertige Tierärztin vergaß ich vor lauter Arbeit und Verantwortungsgefühl, mich um sportlichen Ausgleich und Entspannung zu kümmern, was durch unregelmäßige Schichtdienste noch begünstigt wurde. Letztlich lebte ich genau genommen nur noch für meine Arbeit, hatte keine Zeit für ein Privatleben und war zu müde, mich mit Freunden zu treffen. Leider übersah ich den steten Abbau meiner Energie und -reserven bzw. ignorierte am Ende „tapfer“ alle Versuche meines Körpers, mich zum Innehalten anzuregen, bis der Akku komplett leer war.

Zu diesem Zeitpunkt gehörten Übelkeit, Ohrengeräusche, Schwindel, Schlafstörungen, ein wachsendes Gefühl innerer Leere und zunehmende Unsicherheit bei Routineabläufen für mich zur „Normalität“. Da dies alles nichts half, zeigte mir mein Körper mit Hilfe anhaltender Appetitlosigkeit und daraus resultierender Schwäche Ende Januar 2010 endgültig die Rote Karte.

Diagnose: fortgeschrittener Burnout mit schwerer Erschöpfungsdepression. Ich wurde von meinem Arzt auf unbestimmte Zeit krank geschrieben, suchte mir eine Psychotherapeutin und beantragte einen Aufenthalt in einer Psychosomatischen Klinik. Doch alle Versuche, nach dem 6-wöchigen Aufenthalt in der Klinik im Herbst 2010 wenigstens das Walken weiter zu betreiben, scheiterten kläglich. Auch für einen normalen Spaziergang fehlte die Person, die mich motivierte, an die Hand nahm und mit mir gemeinsam die ersten Schritte unternahm.

Dann drückte mir eine Freundin das aufgeschlagene Heft ihres Sportvereins in die Hand, in dem die Lauftherapie mit Joanna als Schnupperkurs angeboten wurde. Bereits bei dem ersten Termin fühlte ich mich sehr gut aufgehoben und da ich inzwischen gelernt hatte, über meine Krankheit offen zu sprechen, verstanden die anderen Teilnehmer auch, weshalb ich trotz meiner sportlichen Figur des Kurses dringend bedurfte.

Joanna kümmerte sich um jeden Einzelnen in der Gruppe und die unterschiedlichen Probleme, kontrollierte Blutdruck und Puls und gab uns jede Menge Tipps. Zweimal pro Woche ging es Schritt für Schritt vom Gehen zu immer mehr Laufen und jeder von uns hatte seine Erfolgserlebnisse.

Schließlich bekamen wir alle am Ende des Kurses eine Urkunde über 30 min Laufen am Stück. Da wir inzwischen eine eingeschworene Truppe waren, wurde auch gleich der Fortgeschrittenenkurs belegt und die Laufstrecke variiert. Auch ohne Kurs und Joannas liebevolle Aufmunterungen trifft sich die Gruppe weiterhin regelmäßig zum gemeinsamen Laufen.

Ich laufe zur Zeit nicht mit, werde aber im Frühjahr auf jeden Fall wieder starten und mich der alten Truppe anschließen. Als Ausgleich habe ich seit Anfang Oktober meinen eigenen, noch sehr jungen vierbeinigen Therapeuten, der mich problemlos motiviert, mehrmals täglich mit ihm in straffem Tempo spazieren zu gehen und mindestens einmal pro Woche eine größere Runde am Schlachtensee oder im Grunewald zu drehen. Eine unserer ersten Anschaffungen war eine spezielle Joggingleine für Hunde, so dass er mich und die anderen bei unserem Lauftreff begleiten kann, wenn er groß genug ist...